Geschichte  

Buchempfehlung

Schweif-Sterne

Die 30 größten Kometen in Wissenschaft, Kultur und Kunst

Dieser beeindruckende Bildband zeigt in bisher unerreichter Fülle an historischen Zeichnungen, Grafiken, Flugblättern und Fotografien die 30 größten Kometen der Neuzeit. Insgesamt entsteht ein vollständiges Bild dieser spektakulären Himmelsschauspiele.

Ronald Stoyan
ISBN: 978-3-938469-70-5
49,90 Euro

Taktgeber der Menschheit

Von allen Kometen ist der Halleysche sicher der bekannteste: Im Mittel kehrt er alle 76 Jahre an den Himmel zurück und ist dann zumindest mit dem bloßen Auge zu sehen, mitunter gar sehr auffällig. Dass er einerseits seit Jahrtausenden zuverlässig wiederkehrt, ihn aber die meisten Menschen nur einmal im Leben zu Gesicht bekommen, hat ihm einen regelrechten Kultcharakter verschafft.

Seine beiden letzten Erscheinungen im 20. Jahrhundert waren von enormem öffentlichem Interesse begleitet: 1910 näherte sich die Erde seinem Schweif, was zu gewisser Beunruhigung führte, 1985/86 überschlugen sich die Anbieter von Halley-Büchern, -Teleskopen und -Reisen derart, dass der Begriff des »Halley-Wahns« die Runde machte. Eine Konsequenz des damaligen Rummels lebt noch heute fort: Anlässlich Halleys Erscheinung wurde der Astronomie-Tourismus nach Namibia begründet, wo der Komet tatsächlich am besten zu sehen war.

Große Kometen, wie sie sich ein paar Mal im Jahrhundert am Himmel blicken lassen, haben die Menschen schon mindestens seit der Antike beeindruckt. Aber als kosmische Körper wurden sie zumindest in Europa nicht gesehen: Zu unverständlich schienen ihre Bahnen kreuz und quer über den Himmel zu sein, und das diffuse Erscheinungsbild ihrer Schweife passte auch nicht zum scharf begrenzten Mond oder den punktförmigen Planeten und Sternen. So wurden die Kometen kurzerhand der »Welt diesseits des Mondes« – hinter dem der eigentliche Kosmos begann – zugeschrieben, ungewöhnlichen Erscheinungen in der Erdatmosphäre verwandt. Im alten China war die Sicht eine andere: Hier warf man die Kometen mit – wie wir heute wissen: durch Explosionen – scheinbar neu am Himmel erschienenen Sternen in einen Topf und erwähnte nur knapp ihre diffusen Anhängsel. Wieder ganz anders im alten Indien bei den Gond: Hier waren die Kometen die Schwerter oder auch Besen, mit denen Götter auf der Erde aufräumten.

Der erste Durchbruch auf dem Weg zum modernen Bild der Kometen gelang ausgerechnet dem Astronomen Tycho Brahe, obwohl er nicht einmal das neue kopernikanische Weltbild mit der Sonne im Mittelpunkt akzeptierte. Aber der präzise Beobachter stellte fest, dass sich der Komet von 1577 auf einer Bahn weit jenseits des Mondes durch das Sonnensystem bewegte. Doch bis sich diese Erkenntnis durchsetzte, sollte es noch dauern: Der erste Astronom, der systematisch mit einem Teleskop beobachtete, Galileo Galilei, hielt Kometen z.&xnbsp;B. noch 1623 für nichts weiter als Lichtreflexe. Aber 1705 erkannte Edmond Halley, dass mehrere helle Kometen der Vergangenheit sehr ähnliche Bahnen hatten und vermutlich ein und derselbe Himmelskörper waren – und seit dieser wie von ihm vorhergesagt 1758 wieder auftauchte, trägt er Halleys Namen.

Was aber physisch hinter den Kometen steckt, warum sie scheinbar aus dem Nichts kommend gewaltig anwachsen und mitunter den halben Himmel ausfüllen konnten, daran mühte sich die Forschung noch zweihundert weitere Jahre ab. Die leuchtende Koma versperrt grundsätzlich den Blick auf den Verursacher der Erscheinung, und noch Mitte des 20. Jahrhunderts gab es im Prinzip mehrere Erklärungsansätze, von einer »fliegenden Sandbank« bis zu einem festen Kern. Letzterer schien allerdings alle Eigenschaften der Kometen am besten erklären zu können – und der Hauptvertreter der Kern-Theorie, Fred Whipple, konnte noch selbst miterleben, wie drei Raumsonden, die sich 1986 zum ersten Mal an einen Kometenkern (natürlich den des Halleyschen Kometen) heran pirschten, genau diesen Kern deutlich aufnehmen können. Seither sind noch vier weitere Kometenkerne besucht worden, und 2014 soll die europäische Raumsonde Rosetta sogar in eine Umlaufbahn um einen weiteren eintreten. Während sich die Forschung dem Phänomen Komet immer weiter genähert hat, ist das große öffentliche Interesse durch die Jahrtausende geblieben – allerdings nur, wenn ein heller Komet tatsächlich am Himmel steht oder die Erwartung darauf geschürt wird. Solange Kometen noch völlig unerwartet erschienen, überwog die Beunruhigung: Kometen galten im westlichen Kulturkreis allgemein als Vorboten einer Veränderung, meist zum Schlechten. Aber seit das Erscheinen potenziell heller Kometen Jahre – oder im Falle von Halley: Jahrhunderte – lang voraus gesagt werden kann, hat sich der Umgang mit ihnen gewandelt. Jetzt wird die Erwartung eines sensationellen Himmelsschauspiels geschürt. Doch die Verwirrung vergangener Jahrhunderte lebt fort: vornehmlich im Internet, wo schon moderat helle Kometen von den absurdesten Verschwörungstheorien begleitet werden. Komet ISON ist da keine Ausnahme.

 
Komet ISON im Oculum-Shop
Die Inhalte dieser Seite, auch einzelne Passagen und Abbildungen, sind urheberrechtlich geschützt. Diese dürfen nicht auf andere Internetseiten kopiert, auf Datenträgern verbreitet, in ausgedruckter Form weitergegeben oder öffentlich vorgeführt werden. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes.